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News & Aktuelles

08. November 2022
Autor:
Publisher: FH Finanzberatung GmbH

Investment-News 2/2022

Seit dem Einmarsch russischer Truppen...

Der letzte Bericht fiel situationsbedingt kurz aus, daher nun ein paar Zeilen mehr.


Seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ost-Ukraine im Februar dieses Jahres ist die Welt nicht mehr die alte. Dieses Ereignis und seine Folgen schüttelt die Weltordnung gehörig durcheinander und führt zu neuen politischen Verwerfungen und Bündnissen.

Vor den Toren Europas tobt nun seit über 8 Monaten ein furchtbarer Krieg, nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch medial. Nebenbei läuft ein schwerer Wirtschaftskrieg zwischen den Nato-Staaten und Russland (und China).
Vor allem mit hohem politischem Druck aus den USA wurde Sanktionen gegen Russland erlassen, wie man sie seit dem 2. Weltkrieg noch nie gegen ein einzelnes Land verhängt hat. Hier haben sich die Staatschefs Europas offenbar über einen schnellen Erfolg dieser massiven Sanktionen verschätzt, bzw. müssen ihren Bürgern nun beibringen, welche persönlichen, finanziellen Opfer sie erbringen müssen.
Überhaupt leben ca. 80% der Menschen in Ländern, die die westlichen Sanktionen gegen Putin nicht mittragen. China, Indien, Südafrika und Brasilien (um nur die wichtigsten zu nennen) erfreuen sich nun über billige Energielieferungen, was Ihnen langfristig einen Standortvorteil eröffnet. Der „(Miss-)Erfolg“ der westlichen Sanktionen kann man auch am Wechselkurs des Rubels ablesen, der seit Kriegsbeginn nach kurzen Kurskapriolen um ca. 25 % gegenüber dem Euro aufgewertet hat. (Wem schaden die Sanktionen?)

Die russischen Zentralbankguthaben wurden eingefroren ( ca. 600 Mrd. €), westliche Firmen zum kompletten Rückzug aus dem Russlandgeschäft aufgefordert, was zu hohen Abschreibungen in den Firmen-Bilanzen führte. Mit dem Ölembargo wurde die jahrzehntelange Energiepartnerschaft mit Russland wohl für immer aufgekündigt. Russland hat die direkten Gaslieferungen nach Europa, vor allem nach Deutschland peu a peu eingestellt. Im Moment kommt das russische Gas über Umwege nach Europa, z.B. über die Türkei oder China. Das ist aber nur noch ein Bruchteil von den ursprünglichen direkten Liefermengen. Russland hat andere Abnehmer für sein Gas gefunden.

Ein wesentlicher Unterschied ist allerdings der Preis dafür. Gab es früher langfristige Lieferverträge mit Gazprom zu extrem niedrigen Preisen, mußte Deutschland in den letzten Wochen Gas zum Spotpreis (aktueller Preis an der Rohstoffbörse) einkaufen, um die Gasspeicher zu füllen. Das kostete viele Milliarden mehr und schon auch noch den Preis nach oben. Das milde Wetter in Europa hilft uns zur Zeit, um den Gasverbrauch zu senken und Heizkosten zu sparen, aber für wie lange? Der Winter steht vor der Tür. Deswegen steht insbesondere in Europa eine schwere Energie- und Rohstoffkrise vor der Tür mit gravierenden Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft. Vor allem der Winter 2023/24 könnte schwierig werden, was dieses Thema angeht. Auch ein längerer „Black-Out“ ist nicht im Bereich des Unmöglichen, da Frankreich gerade viele Atomkraftwerke warten muß (zur Zeit laufen nur die Hälfte aller Reaktoren).
Im schlimmsten Fall könnte dies das Ende der Globalisierung bedeuten, wie wir das die letzten Jahrzehnte gewohnt waren und wovon Deutschland am meisten profitiert hat. Unser Exporterfolg legte den Grundstein für unseren heutigen Wohlstand, der nun massiv bedroht ist. Die USA stehen wesentlich besser da, weil sie im Energiesektor unabhängig von Importen sind und sogar von Exporten von LNG-Gas zu astronomischen Preisen nach Europa profitieren.
Und hier noch ein Beispiel, wie „pragmatisch“ die USA im Gegensatz zu Europa die Sanktionen einhalten. Lukoil hat auf Sizilien die größte Raffinerie Europas. Dort wird russisches Erdöl, das z.B. von Murmansk mit dem Schiff nach Italien gebracht wird, zu Benzin, Diesel, Heizöl oder Kerosin verarbeitet und nach Amerika verschifft (als europäische Produkte, die nicht auf einer Sanktionsliste stehen).

In Deutschland hat die Ukraine-Krise vor allem heftige Auswirkungen auf die mittelständischen Unternehmen, die hier eine energieintensive Produktion unterhalten. Sie können die gestiegenen Energiekosten nicht voll auf die Verkaufspreise umlegen, sodaß die Gewinnmargen extrem unter Druck stehen. Das führt heute schon zu Produktionseinschränkungen und Liquiditätslücken. Und langfristig wird das dafür sorgen, daß neue Investitionsvorhaben nicht mehr in Deutschland landen. Denn für den Industriesektor (und Deutschland ist abhängig von der Industrieproduktion) ist die Energie- und Rohstoffsicherheit (Vorprodukte, Wärme und Strom) ein entscheidender Faktor. Und den können wir nicht über Nacht mit alternativen Energiequellen sicherstellen.

 

Nun noch zum anderen großen Thema - Inflation:

Im Moment ist das Inflationsthema allgegenwärtig. Vor allem Energie und Strom haben sich extrem verteuert. Und im Nachgang dadurch natürlich auch viele andere Güter und Dienstleistungen. Die Verbraucher sehen die Steigerungen von Strom und Gas aber erst mit Verzögerung in 2023, wenn die Preisbindung der alten Verträge ausläuft, trotz Gaspreisbremse. Beim Bäcker merkt man die gestiegenen Preise jeden Tag, auch wenn dies nur Cents sind.

Die Inflationsrate lag im Oktober in der Eurozone bei 10,7%, in Deutschland bei 10,4%, das sind die Steigerungen zum Vorjahresmonat (also Monatszahlen). Hohe Zahlen werden uns wohl noch bis Mitte nächstes Jahr begleiten, auch wenn der Höhepunkt dann überschritten ist. 2024 sollten wir dann wieder „normale“ Inflationsraten von um die 2,5% - 3% sehen. Durch den starken US-Dollar importieren wir auch Inflation, da viele Güter in Dollar fakturiert werden. An der Bewertung der europäischen Währung wird auch deutlich, wie unattraktiv der hiesige Standort für ausländische Investitionen inzwischen geworden ist.

Schauen wir uns die Statistik aber mal langfristig an und beurteilen das Ganze dann noch einmal.
Der harmonisierte Verbraucherpreisindex für Deutschland ist seit Anfang 2009 bis Ende 2021 um 1,5% pro Jahr gestiegen. Das ist die etwas höhere Inflationsrate von 2021 schon enthalten. Rechnet man für 2022 nun noch 10% Inflation dazu, kommt man seit 2009 auf 2% jährlich. Käme in 2023 nochmals 7% allgemeine Preissteigerung dazu, was am oberen Rand der heutigen Schätzungen liegt, errechnet sich eine durchschnittliche Inflationsrate für diesen 15-Jahres-Zeitraum von 2,4% per anno. („food for thought“)

Übrigens: zwischen 1970 und 1982 lag die Inflationsrate im Durchschnitt bei 5% pro Jahr.

Ein plastisches, persönliches Beispiel:
Meine eigene Stromrechnung ist in den letzten 11 Jahren um durchschnittlich 3,4% pro Jahr teurer geworden. Da ist die aktuellste Erhöhung vom Oktober diesen Jahres schon enthalten.

Das iPhone von Apple hat sich in den letzten 10 Jahren um 91% verteuert. Das ist eine Preissteigerung um 6,7% pro Jahr. (technische Verbesserungen mal außen vor gelassen)
Über was sollte man sich nun mehr aufregen?

Und die Gewerkschaften reagieren bereits in den anstehenden Lohnverhandlungen. Da werden Gehaltszuwächse von durchaus +5% erreicht werden können. Allerdings vor Steuern. Das gleicht zumindest einen Teil der höheren Konsumpreise aus.

 

Nun aber zur Börse:
Dieses Jahr gab es da nichts zu gewinnen. Und an den Zinsmärkten war es das schlechteste Jahr seit 1949. Wieso? Im März dieses Jahres fing die amerikanische Notenbank an, die Leitzinsen zu erhöhen. Diese lagen jahrelang sehr niedrig und seit Ausbruch des Corona-Virus bei Null. Damit versucht sie nun die angesprungene Inflation einzufangen. Denn das ist eine wesentliche Aufgabe einer Zentralbank. Da der Kapitalmarkt solche Entwicklungen immer vorwegnimmt, sind die Marktzinsen seit Mitte November 2021 massiv am Steigen.

 

Hier sieht man das gut am Beispiel der Zinsen für 2-Jahres-Staats-Anleihen der USA.
(am 1.11. bei 4,7%)

 

Da sich die Kurse von Staatsanleihen immer invers zum Zinssatz entwickeln, bedeutet das den größten Kurseinbruch am Markt für festverzinsliche Wertpapiere seit dem 2. Weltkrieg. Die Zinsen für deutsche 2-jährige Staatsanleihen, die seit August 2014 negativ waren ( das hieß, für Darlehen an den deutschen Staat mußte man noch Geld bezahlen !! ), stiegen von einem Extrempunkt von -0,77% im November 2021 auf 2,14% letzte Woche.
Diese Zinssprünge spüren auch alle potenziellen Häuslebauer, denn die Bauzinsen für eine 10-Jahresfestschreibung sind von 0,8% auf heute ca. 4% explodiert. Dieses Niveau sahen wir zuletzt 2011.

Steigende Zinsen belasten den Aktienmarkt, da bei der Unternehmensbewertung die zukünftigen Gewinne auf den heutigen Zeitpunkt abgezinst werden (Barwertmethode). Am meisten leiden darunter Firmen, die ein hohes Wachstum aufweisen. Denn da ist auch die Abzinsung nominal am höchsten.
Dazu gehören logischerweise die meisten Technologie-Unternehmen. Bei einem „Nullzins-Umfeld“ kann man diesen Firmen rechnerisch hohe Bewertungen zugestehen, was mit kurzer Unterbrechung durch die Corona-Krise, der Markt auch so vollzogen hat. Amazon hatte ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von über 200. Durch den gestiegenen Zinssatz sieht das nun völlig anders aus.

 

Nachstehend sehen sie beispielhaft ausgesuchte Unternehmen und ihre Kursentwicklung seit dem 1.1.2021:

Snap, -82,5 % (schwarze Linie); Amazon, -44% (grüne Linie); Meta, früher Facebook, -60% (blaue Linie); Netflix, -39% (rote Linie)

Seit dem Hoch des Marktes am 19.11.2021 verlor der Nasdaq-Index (Indes für US-Technologie-Unternehmen) ca. 35% bis heute. Und damit Sie ein Gefühl für diesen Verlust bekommen, noch eine andere Zahl. Seit diesem Bewertungshoch haben die 6 wertvollsten US-Unternehmen (Amazon, Microsoft, Alphabet, Apple, Meta und Tesla) mehr als 5 Billionen US-Dollar an Unternehmenswert verloren. ( das sind > 5.000.000.000.000 $; zum Vergleich: der gesamte Unternehmenswert aller, an einer Börse gelisteten, deutschen Unternehmen betrug 2021 ca. 2,5 Billionen €)
Das hat der ein oder andere bestimmt auch im eigenen Aktiendepot spüren müssen, da gerade diese Werte sehr beliebt waren.

 

Die Aussichten sind heute durchwachsen. 2 Aspekte werden entscheidend für den weiteren Verlauf sein.

Erstens die Inflationsentwicklung und wie weit erhöht das FED (die amerikanische Notenbank) ihr Zinsniveau. Aktuell gehen die Experten davon aus, daß im März 2023 das Maximum (ca. 5%) erreicht wird, aber die Zinsen länger auf diesem hohen Niveau bleiben müssen, um die Inflationsrate gesenkt zu bekommen, auch mit der Gefahr, dadurch im nächsten Jahr eine leichte Rezession auszulösen.

Zweitens der Umgang mit dem Corona-Virus in China. Weicht der neu gewählte und bestätigte Staatspräsident in China, XI Jinping, von seiner Null-Covid-Strategie im nächsten Frühjahr ab oder bleibt er dabei. Die Restriktionen und immer wieder angeordneten Quarantänemaßnahmen haben in den letzten Monaten das Wirtschaftswachstum stark eingebremst. Die Folgen sind immer noch fehlende Vorleistungsprodukte für die Industrieproduktion in allen Ländern, obwohl sich die Lage hier schon entspannt hat. Auch der Stau bei den Containerschiffen in den USA und China hat sich mittlerweile fast aufgelöst. Aufträge sind im Verarbeitenden Gewerbe noch genügend vorhanden, damit der Einbruch der Wirtschaftsleistung in 2023 hoffentlich nicht so stark ausfällt. Die chinesische Führung muß aber schnell eine gesichtswahrende Lösung im Umgang mit dem Corona-Virus finden, damit es wirtschaftlich wieder bergauf geht und keine sozialen Unruhen aufkommen.

Ich denke, daß sich der Aktienmarkt wieder deutlich nach oben bewegt, wenn ersichtlich ist, daß der Zinshöhepunkt hinter uns liegt, sowie die Warenströme und Lieferketten wieder normal funktionieren. Vielleicht hat auch China Corona bald hinter sich gelassen. Eine erste Erholung der Aktienkurse läuft gerade.

In diesem Umfeld hilft nur, weiter auf monatliche Sparpläne zu setzen. Im Moment kauft man billig ein.

 

Zum Abschluß noch ein paar Zahlen:

 

Hier die Wertentwicklung des Jahres 2022 (bis 1.11.) einiger Börsen (ca. Angaben):

DAX: -16,6%                S&P 500: -18,2%         Eurostoxx 50: -16,0%             China: -25,6%

MDAX: -23,5%             Nasdaq: -29,0%          Emerging Markets: -18,8%     MSCI World: -20,8%

Gold: -10,1%               US-Dollar: +13,1%      Rohöl (Brent in Euro): +38,5%            Bitcoin: -57%

 

 

Frank Hogenmüller

im November 2022